Die Welt – durch die Augen anderer

(Más szemén keresztül a világ ins Deutsche übersetzt von Robert Lessmeister)

     Wanda ließ sich auf eine Bank gegenüber dem Bürohaus nieder. Sie sah auf die Leute, die das Gebäude fortwährend durch die gewaltige Drehtür verließen und betraten.
     Sie konnte sich gar nicht mehr erinnern, wann sie zuletzt gearbeitet hatte. Sie hatte es nicht nötig. Auch jetzt steckte eine Reihe von Kreditkarten in ihrer Tasche, bei fast allen war der Kreditrahmen überzogen. Mit zufriedenem Ausdruck lehnte sie sich zurück. Wohlgefällig ließ sie ihre empfindliche Haut von den milden Strahlen der Spätnachmittagssonne streicheln. Ihrem Aussehen nach mochte sie zwischen 30 und 35 sein, doch in Wahrheit war sie viel älter. Ein gut aussehender Mann schlenderte an ihrer Bank vorbei. Wanda blinzelte ihm zu. Der Mann zog die Augenbrauen hoch und ging weiter. Wanda schüttelte leicht ihre braunen Locken. Macht nichts, mein Lieber, morgen wirst du mich ganz anders betrachten. Morgen wird alles ganz anders sein. Sie wusste gar nicht mehr, die wievielte Umwandlung das jetzt in ihrem Leben sein würde, doch an jeder fand sie großen Gefallen. Sie selbst zumindest. Ihre Partner weniger, doch darum kümmerte sie sich nicht besonders. Sie war wie eine Schwarze Witwe. Jede ihrer Zielpersonen erforschte sie gründlich, bevor sie sie nach dem Ereignis tötete. Nie wurde sie erwischt. Sie hatte viel Erfahrung darin, die Polizei irrezuführen. Die Morde erfolgten in diversen Städten und Ländern, zwischen ihnen lagen viele Jahre. Niemand kam auf die Idee, einen Zusammenhang zu sehen. Fast alle Opfer waren 30-35jährig. Die meisten von ihnen Frauen, ab und zu mal ein Mann, doch bei letzteren machte es ihr weniger Spaß. Männer probierte sie eher aus Neugierde aus.

     Die Frau, die sie erwartete, verließ gerade das Gebäude. Die Sonne glitzerte leicht in ihren langen blonden Haaren, die grünen Augen glänzten. Wanda gefiel sie ganz außergewöhnlich, darum wurde gerade sie für ihren Zweck ausgesucht. Die Frau sah sehr unglücklich aus. Sie wird irgendwelchen Liebeskummer haben, dachte Wanda, morgen wirst du aber, mein Schatz, nicht mehr traurig sein, morgen bist du tot. Die Frau warf einen Blick um sich, dann wandte sie sich nach rechts zum Gehen. Wanda begann, ihr zu folgen. Sie wusste, dass die Frau sich auf dem Nachhauseweg befand, dass sie alleine wohnte, dass sie Christine heißt, wie alt sie ist. Sie wusste alles über diese Frau. In den letzten Wochen tat sie nichts, als ihre Person genauestens auszukundschaften. Die Frau blieb an einer Bank stehen und fing an zu weinen. Wanda blickte ungeduldig auf sie, sie wollte alles so schnell wie möglich hinter sich bringen. Nach einer halben Stunde machte sich die Frau wieder auf den Weg. Wanda folgte ihr erneut. Wenige Minuten später kamen sie in eine Nebenstraße, wo Wanda ihren Wagen abgestellt hatte. Es handelte sich um einen dunkelblauen Mietwagen, einen kleinen Transporter. Als die Frau neben dem Wagen angelangt war, trat Wanda an sie heran, drückte ihr eine Spritze gegen den Hals und injizierte ihr den Inhalt, sodass sie wenige Sekunden darauf ohnmächtig in sich zusammenfiel.

     Wanda stieß den leblosen Körper in den Wagen. Niemand wurde aufmerksam, es war schon fast ganz dunkel, und die Straße war ohnehin ziemlich leer, darum hatte sie sich für diesen Ort entschieden. Sie warf noch einen vergnügten Blick auf die Frau, dann schloss sie die Tür. Sie setzte sich ans Steuer, startete den Motor und lenkte den Wagen zu ihrer Wohnung. Sie zog es vor, die Sache zu Hause zu erledigen und sie führte ihre Taten meistens auch dort aus, ohne dabei je ertappt worden zu sein. Die Polizei konnte nie einen Verdächtigen präsentieren.

     Nach einer halben Stunde war sie vor ihrer Wohnung angekommen. Langsam steuerte sie den Wagen in die Garage. Nachdem sie die Wagentür geöffnet hatte, zog sie das ohnmächtige Mädchen heraus und setzte es in einen Rollstuhl, den sie früher bereitgestellt hatte. Von der Garage aus gab es einen direkten Zugang zum Wohnzimmer. Sie hatte sich für dieses Haus entschieden, weil sie von niemandem bei ihren Transporten gesehen werden wollte. Sie schob das Mädchen in die Mitte des verdunkelten Wohnzimmers, wo ein anderer Rollstuhl bereitstand. Wanda setzte sich darauf und starrte das Mädchen an. Sie hatte wunderschönes, blondes Lockenhaar. Sie hat sich immer so ein schönes Opfer gewünscht und jetzt endlich würde sie es haben. Das Mädchen war sehr gut gepflegt, mit einem perfekten Körper. Nur selten fand sie so ein perfektes Opfer.

     Christine wurde langsam wach, doch sie fühlte sich noch sehr schwach. Wanda hatte das Schlafmittel anscheinend ein bisschen überdosiert, das nächste Mal würde sie besser aufpassen. Sie holte ein Paar Handschuhe, ein Haarnetz und ein Stück Seil aus dem Schrank. Vorsichtig zog sie die Handschuhe über Christines Hände. Sie wollte keine Fingerabdrücke hinterlassen. Dann fesselte sie die Hände des Opfers mit festen Seemannsknoten an die Stuhllehne. Sie mochte diese Knoten. Kennt man ihre Technik, dann kann man ihnen leicht entschlüpfen, ist man aber ungeschickt, zieht man sie nur noch fester zu. Als sie damit fertig war, band sie Christines Haare zusammen, zog das Haarnetz über und schließlich knotete sie auch die Beine an den Stuhl. Auf dem Fußboden hatte sie schon gestern ein spezielles Papier mit selbstklebender Oberfläche ausgebreitet, um eventuelle Spuren aufzufangen. Sie würde das alles in der Nacht aufräumen, sobald sie mit ihrem Opfer fertig war. In letzter Zeit hatte sie es immer schwerer, da die Polizei immer bessere Mittel zur Aufdeckung von Verbrechen einsetzte. Nur noch einige Fälle und bald muss sie sich den Kopf über neue Methoden zerbrechen. Da aber niemand über die wirklichen Geschehnisse eine Ahnung hatte, war Wanda der Polizei immer noch um einen riesigen Schritt voraus.

     Wanda trat an den anderen Stuhl und machte die vier Fesseln daran fest. Zwei für die Beine, zwei für die Hände.
    „Wo bin ich?“, fragte Christine schwach. Ihr ging es sehr elend, das ganze Zimmer drehte sich um sie.
    Hoppla, das hatte sie vergessen. Wanda griff nach dem Pflaster und klebte dem Mädchen den Mund ab.
    „Rühr dich nicht von hier, meine Kleine“, sagte sie spöttisch, „jetzt gehe ich baden und bin gleich zurück. Hoffentlich hast du heute auch schon gebadet.“
    Das Mädchen schaute sie verständnislos an und machte keinen Versuch, sich zu befreien. Vielleicht war sie sich gar nicht im Klaren darüber, was ihr eigentlich passiert war. Wanda ging ins Bad, ließ die Badewanne volllaufen, dann stieg sie hinein. Dies war auch ein Teil ihres Rituals. VORHER badete sie immer sehr gründlich. Eine halbe Stunde lang faulenzte sie in der Badewanne, dann stieg sie heraus und stellte sich vor den großen Spiegel, um sich gründlich darin zu mustern. Ist ja nicht so schlecht, doch das Mädchen hat einen bedeutend schöneren Körper. Sie holte frische Kleider, zog sich an und ging ins Wohnzimmer zurück. Das Mädchen saß immer noch so da, wie sie sie verlassen hatte. Wanda prüfte die Knoten an den Händen, sie wollte ja nicht, dass ihr Plan wegen einer Kleinigkeit scheitert. Die Knoten waren vielleicht etwas lockerer als vorher, doch das spielte nun keine Rolle mehr. Auch wenn sie eventuell die Hände hätte befreien können, die Schellen an den Füßen hingegen hätte sie bestimmt nicht loswerden können. Übrigens war das Haus auch gut verschlossen. Sämtliche Schlüssel hatte sie an einem Ring bei sich, sogar während des Badens. Den Schlüsselbund legte sie jetzt mit einem spöttischen Lächeln in Christines Schoß, dann rückte sie den anderen Stuhl heran und setzte sich gegenüber dem Mädchen.
Sie schaute Christine in die Augen. Das konnte sie sich nie entgehen lassen. Jedes Mal schilderte sie ihren Opfern in allen Einzelheiten, was sie erwartet. Die Opfer wollten meistens kein Wort davon glauben, doch sie schauderten schon bei dem Gedanken, einem Psychopaten in die Hände zu fallen. Und Wanda fand an diesem Schrecken immer großes Vergnügen.

    “Hallo Christine! Ja, ich kenne deinen Namen, ich weiß alles über dich. Du hast die besondere Ehre, von mir ausgewählt worden zu sein. Du bist die Fünfzigste, und zu dieser Gelegenheit gehört etwas Besonderes. Du denkst vielleicht, ich sei so eine Art Serienmörder. Nun, das könnte man auch so nennen. Ich bin ein Exemplar einer besonderen Rasse. Wir sind nicht so vielzählig, aber darauf kommt es uns auch gar nicht an. Wir sind unsterblich. Aber nicht so, wie ihr euch das in der Regel vorstellt. Meine Art ist fähig, ihr Bewusstsein aus einem Körper in einen anderen zu übertragen. Freilich kostet uns so etwas sehr viel Energie, deshalb kann das nicht öfter als alle ein bis zwei Jahre ausgeführt werden, doch das ist ja auch egal, denn wir brauchen einen Körper ohnehin nicht länger als 10 – 15 Jahre. Diesmal habe ich deinen ausgesucht, du sollst aber keine Angst haben, ich werde schon auf ihn aufpassen. Leider wird dieses Verfahren etwas schmerzhaft, doch nicht zu lange, dann bringe ich dich um. Ich denke, du hast wohl Verständnis dafür. Obwohl dir keiner glauben würde, kann ich das Risiko nicht eingehen.“

    Wanda wartete. Meistens versuchten ihre Opfer, sich zu befreien. Christine aber unternahm nichts. Sie saß nur still da, und starrte vor sich hin.
    „Na, also? Du wirst gleich sterben. Das ist kein Spiel mit einer versteckten Kamera und träume nicht davon, ich würde dich etwa begnadigen, weil du so schöne Augen hast. Gerade wegen deiner Augen nicht!“, fügte sie mit böser Erwartung hinzu.
     Es geschah jedoch nichts. Wanda wurde wütend, sie konnte es nicht leiden, wenn jemand ihr Spiel verdarb. Sie wollte so gern dieses kleine Ding zum Reden bringen, doch sie wollte ihren Körper nicht verletzen. Es war ja egal, sie konnte hinterher noch ihre Späßchen mit ihr treiben. Wanda seufzte tief. Sie beugte sich vor, ließ die Fesseln an den eigenen Füßen zuschnappen, dann an der linken Hand und schließlich, mit etwas Mühe, war auch die rechte Hand gefesselt. Sie schloss die Augen und lehnte sich zurück.

     Christine blickte auf ihre Entführerin, dann spürte sie ein leichtes Kribbeln hinter ihrer Stirn, das allmählich immer stärker wurde, so­dass sie am Ende fast hätte schreien können vor Schmerzen, doch das Pflaster auf dem Mund hinderte sie daran und es wurde nur ein leises Stöhnen daraus. Dann fühlte sie, wie sie aus dem eigenen Körper, den sie nun von außen sehen konnte, heraustrat und auf einmal wurde sie von Dunkelheit umhüllt.
     Sie öffnete die Augen und erblickte sich selbst. Genauer gesagt den Körper, der vorhin noch ihr gehört hatte. Ohnmächtig, in sich zusammengesunken saß er auf dem anderen Stuhl. Ein müdes Lächeln kam über ihre Lippen. Du scheinst doch nicht alles über mich zu wissen, dachte sie. Langsam hob sie den rechten Arm. Das Seil spannte sich und die Stuhllehne, an der er befestigt war, gab nach, sodass die Fessel herunterrutschen konnte. In ähnlicher Weise machte sie auch die andere Hand frei. Sie griff nach den Schlüsseln im Schoß der Frau, dann öffnete sie auch die Schellen an den Füßen.

    Es kam alles ganz anders, als Christine es erwartet hatte. Sie hielt die Frau für einen Psychopaten, deshalb machte sie ihre Hände von den Knoten frei, während Wanda badete. Voller Dankbarkeit dachte sie an ihren Großvater zurück, der ihr damals diese Knotentechnik beigebracht hatte. Sie konnte aber nicht fort, denn ihre Beine waren noch gefesselt. Nach den Vorbereitungen glaubte sie, die Frau wollte vielleicht den anderen Rollstuhl für ihre Peinigungen benutzen, deshalb langte sie hinüber zum anderen Stuhl, um deren Armlehnen zu lockern. Sie hatte während ihrer Krankenhausaufenthalte oft beobachten können, wie diese Stühle beschaffen sind. Sie sind ganz einfach, ohne Werkzeuge zu montieren. Sie wollte sich noch eine kleine Chance geben. Sie wollte Georg noch einmal sehen. Als sie mit ihrem Werk fertig war, knüpfte sie die Knoten wieder zu und schlüpfte mit den Händen wieder hinein. Sie hoffte, Wanda würde es nicht auffallen. Und tatsächlich war diese so mit sich selber beschäftigt, dass sie auf sonst nichts anderes achtete.

    Christine erhob sich und stellte mit Erleichterung fest, dass es ihr gut ging, kein Schwindelgefühl, keine Spur von Kopfschmerzen war geblieben. Sie trat an den Schrank, wo Ampullen und Injektionsnadeln aufbewahrt waren. Sie entzifferte die Aufschriften der Behälter, es waren verschiedene Schlaf- und Betäubungsmittel darin enthalten. Wer weiß, was diese Frau vorhatte. Christine griff nach einer Spritze, zog damit etwas Schlafmittel auf, trat an den halb ohnmächtigen Körper, der kurz davor noch ihr gehört hatte, heran, und verabreichte ihr den Inhalt. Die Frau fuhr kurz zusammen, sank aber gleich darauf in einen tiefen Schlaf. Christine löste die Knoten an den Händen der Frau, entfernte auch die Spangen von den Füßen, dann schob sie sie in die Garage, lud sie in den Transporter und fuhr zu ihrer Wohnung. Sie stellte den Wagen ab, holte die Schlüssel aus ihrer Manteltasche und rannte in die Wohnung. Schnell holte sie eine Tasche, die sie auf den Sitz legte.
    Christine öffnete den Kofferraum, starrte den Körper noch paar Minuten an, dann schleppte sie ihn vor das Tor. Er würde morgen früh bestimmt gefunden werden. Sie setzte sich wieder ans Steuer und bevor sie noch von irgendjemandem bemerkt werden konnte, brauste sie davon.

    Wanda war, als wollte ihr Kopf zerspringen und sie verspürte starken Brechreiz. Das ganze Zimmer drehte sich um sie. So viele Male ging sie schon durch diesen Prozess, aber so schlecht war es ihr noch nie ergangen.
     Ein Arzt trat ins Zimmer, in der Begleitung des Mannes, den sie im Park gesehen hatte. Dem Mann liefen Tränen über die Wangen.
     „Ah Christine, endlich bist du wieder bei dir! Erkennst du mich? Ich bin Georg!“
     „Ja, freilich, Georg“, antwortete Wanda, doch sie spürte, dass etwas wohl nicht ganz in Ordnung war, denn es ging ihr miserabel. „Was ist mit mir geschehen?“
    „Ich sagte Ihnen ja nach den letzten Untersuchungen“, sagte der Arzt, „ „dass es besser wäre, wenn Sie hier blieben. In diesem Zustand sollten Sie lieber nicht allein gelassen werden. Jederzeit können ähnliche Symptome auftreten.“
    „Wieso in diesem Zustand?”
    „Sie haben einen Gehirntumor. Können Sie sich nicht erinnern?“
    Gehirntumor? Das war unmöglich. Dieser Umstand wäre ihr doch nicht entgangen. Oder doch? Die Schönheit des Mädchens hatte sie so verzaubert, dass sie einiges übersehen haben musste.
    „Wie…. Wie viel Zeit habe ich noch übrig?“, stieß Wanda endlich hervor.
     „Ich kann nur sagen, was ich Ihnen bereits gesagt habe: Höchstens drei Monate. Doch angesichts der jetzigen Vorgänge – vielleicht weniger.“
   „Christine, oh kleine Christine“, schloss Georg sie in seine Arme, „warum hast du es mir denn nicht erzählt? Ich wäre sofort heimgekommen. Ich liebe dich so. Wenn ich nur für dich sterben könnte!“
    „Ich bin nicht Christine! Das hier ist nicht mein Körper. Diese verdammte Hure hat mich meines Körpers beraubt! Ich will ihn zurück. Das ist nicht mein Körper!“, schrie Wanda aus vollem Hals, dann fiel sie in Ohnmacht.
Mit Tränen in den Augen blickte Georg hilflos auf den Arzt: „Was hat sie denn?“
    „Ihre Krankheit ist weit fortgeschritten. Es tut mir sehr leid, dass Sie sie in diesem Zustand sehen müssen. Sie hat nicht mehr lange zu leben. Ich lernte sie als sehr nettes Mädchen kennen. Wenn ich nur etwas tun könnte! Es tut mir aufrichtig leid.“

    Christine, oder mit ihrem neuen Namen Wanda, blickte wohlgefällig auf das Haus. Sie hat alles aus ihrem „früheren Leben“ weggeräumt. Die Frau, die vorher ihren Körper besaß, hatte beträchtliche Schulden angehäuft. Genau 237.000 Dollar und dazu noch die rückständigen Raten des Hauses. All das passierte im vergangenen Jahr. Doch Christine bereitete das jetzt keine Sorgen. Ihre kürzlich verstorbene Tante war gegenüber den Banken etwas misstrauisch, so hatte sie ihr gespartes Geld zu Hause in einem Safe deponiert, in dem Haus, wo Christine nach dem Tod ihrer Eltern von ihr erzogen wurde. Christine war sehr überrascht, als sie vor einem Monat, da ihre Tante starb, beim Ordnen der Unterlagen im Safe auf mehr als 600.000 Dollar stieß. Noch in der Woche wurde ihr auch ihre entsetzliche Krankheit bekannt, die sie völlig verzweifelte. Sie stand mit mehr als einer halben Millionen Dollar da, dabei hatte sie nicht mehr die Zeit, ein bisschen das Leben mit dem Geld zu genießen. Keiner außer ihr wusste von dem Geld. Nur sie besaß einen Schlüssel zum Safe. Darum eilte sie in jener Nacht zum Haus zurück, um die Tasche zu holen, die das Geld enthielt. Das geerbte Haus war hin, denn sie konnte ja nicht vor den Behörden behaupten, dass sie in Wahrheit Christine sei, es sei nur ihr Körper ausgetauscht worden. Ihr war es ja eigentlich auch egal, wie auch die Tatsache, dass sie nun in einem fast zehn Jahre älteren Körper leben musste. Sie lebte, das war die Hauptsache. Ihr war eigentlich nicht klar, was genau passiert war, doch darüber wollte sie sich auch keine Gedanken mehr machen. Am Anfang kam ihr der neue Körper noch etwas seltsam vor, doch sie gewöhnte sich schnell daran. Trotzdem ließ sie sich gründlich untersuchen. Sie war vollkommen gesund. Ihre einzige Sorge war Georg. Sie wusste, wie sehr er sie geliebt hatte, und zitterte vor dem Gedanken, dass er eine Dummheit begehen würde.

    Sie beschloss zum Bürohaus zu gehen, in dem sie einst zusammenarbeiteten. Dort angekommen setzte sie sich auf eine Bank. Wenige Minuten verstrichen, da tauchte Georg auf. Er schien zum Äußersten niedergeschlagen. So gerne wäre Christine zu ihm gelaufen und hätte ihn umarmt, doch sie durfte nicht. Ihre Blicke trafen sich kurz und Christine war, als bräche ihr das Herz.
Der Mann ging weiter, doch nach ein Paar Schritten blieb er plötzlich stehen, blickte zurück, drehte sich um und ging langsam auf das Mädchen zu.
    „Verzeihung! Sind wir uns nicht irgendwo schon einmal begegnet? Sie erinnern mich so sehr an jemanden“, sagte er, dann fügte er rasch hinzu: „Ich muss wohl verrückt sein, entschuldigen Sie“, und schon wandte er sich zum Gehen.
    „An wen erinnere ich Sie denn?“, rief ihm Christine nach.
    Der Mann wandte sich zurück. „An meine Braut. An meine ehemalige Braut. Sie ist tot. Gehirntumor. Sie hat es mir gar nicht erzählt. Ich war gerade auf einer Auslandsreise. Am Abend, an dem wir uns wieder treffen sollten, fiel sie vor ihrem Haus zusammen und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Nur für kurze Momente kam sie zu sich, doch sie sprach nur sinnloses Zeug“, redete der Mann jetzt, mit seinen Tränen kämpfend. „Bitte seien Sie mir nicht böse, ich wollte Sie nicht belästigen.“
    „Sie belästigen mich doch gar nicht.“
    „Sie sehen ihr sehr ähnlich aus. Darf ich fragen, wie Sie heißen? Ich bin Georg.“
    „Ich heiße Wanda“ sagte Christine und sah dem Mann direkt in die Augen.
   „Wanda!“, wiederholte der Mann. „Wanda, wenn ich in deine Augen sehe, ist mir, als würde sie vor mir stehen. Darf ich dich irgendwohin einladen?“
    „Es gibt hier ein italienisches Café.“
    „Da gehe ich auch am liebsten hin.“
    Christine hätte beinahe gesagt: „Ich weiß“, doch dann sagte sie: „Ich habe es gespürt.“
    George war von Wandas Blicken gefesselt und er hatte das Gefühl, als wäre  Christine nie fortgegangen, als wäre Wanda sie selbst. Er begriff das Ganze nicht, vielleicht hatte Christine dieses Mädchen gesandt? Er küsste sie. Als er die Augen schloss, spürte er, all seine Schmerzen waren vorbei. Und er spürte, wie sein wundes Herz wieder Ruhe fand.

    „Das Herz erkennt ihre andere Hälfte, denn sie tanzen denselben Tanz, und im Blick spiegelt sich das Gefühl zurück, weil dieselbe Liebe darin aufflammt. Der Körper erbebt, wenn er von der liebenden Hand mit unendlicher Zärtlichkeit berührt wird, und die Vernunft löst sich auf, wenn ein Mund alles zu nehmen oder herzugeben bereit ist.”

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